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Offene Enden

Denkbewegung um und durch Musik

Erschienen am 18.02.2002
19,90 €
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783446201422
Sprache: Deutsch
Umfang: 296 S.
Format (T/L/B): 2.3 x 20 x 12 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Einer der produktivsten Komponisten unserer Zeit, Wolfgang Rihm, führt den Leser in seine Überlegungen über die zeitgenössische Musik ein und nimmt mit seinen klugen und temperamentvollen Texten dem Leser die Scheu, sich mit moderner Musik zu beschäftigen.

Autorenportrait

Wolfgang Rihm, 1952 in Karlsruhe geboren, studierte Komposition in Köln und Freiburg. Er komponiert Opern, Sinfonien, Streichquartette und Lieder. Seit 1989 ist er im Aufsichtsrat der GEMA. Er lebt in Karlsruhe und Berlin.

Leseprobe

Nachwort des Herausgebers

Wolfgang Rihm ist nicht nur ein ungemein produktiver Komponist mit einem mittlerweile mehr als vierhundert Werke umfassenden Schaffen. Neben diesem gewaltigen kompositorischen &140;uvre entstanden seit den frühen siebziger Jahren auch in annähernd gleicher Zahl Vorträge, Reden, Aufsätze, Sendungen für den Rundfunk, Stellungnahmen zu aktuellen Fragen, Kommentare und Einführungen zu eigenen Werken und nicht zuletzt eine Vielzahl von Gesprächen. Das einstündige Rede-Manuskript steht neben dem manchmal nur wenige Zeilen umfassenden Kommentar zum eigenen Stück, die kurze Glosse neben ausgreifenden theoretischen Überlegungen, der Grundsatztext neben der scharfen Polemik. Aus der Fülle der thematisch weit gefächerten Schriften bietet der vorliegende Band eine kleine Auswahl. In chronologischer Folge sind hier die wichtigsten Texte zu Rihms Selbstverständnis als Komponist und zu seiner kompositorischen Poetik sowie einige Stellungnahmen zu Fragen der Zeit aus den letzten Jahren vereint.1 Typographisch abgesetzt erscheinen dazwischen - teils ergänzend, teils kontrastierend, teils auch ohne engeren thematischen Bezug - Feuilletons, Glossen, Aperçus und Notizen aus verschiedener Zeit.

Wollte man Rihms künstlerischen Standort mit wenigen Stichworten umreißen, so wären die Ästhetik der musikalischen Freiheit, das Bekenntnis zum Subjekt als Angelpunkt eines wirklich gegenwartsgesättigten Komponierens, ein von bildnerischen Vorstellungen geprägtes kompositorisches Denken und das Plädoyer für ein inklusives im Gegensatz zu exklusivem Komponieren zuallererst zu nennen. "Musikalische Freiheit" - das Thema zieht sich durch alle großen Texte um die Wende zu den achtziger Jahren. Unter diesem Titel wurde 1983 im wohl bedeutendsten Text jener Zeit ein kompositorisches Ideal beschrieben, das sich mit den Komponistennamen (später) Beethoven, Schumann, Debussy, Schönberg (um 1910), Busoni und Varese grob umreißen läßt, Namen, die Rihm in seiner - wie er es einmal selbst nannte - "Einflußbiographie" an vorderster Stelle nennen würde. Der Abstand, der sein musikalisches Denken von dem der Avantgarde nach dem Zweiten Weltkrieg trennt, könnte nicht deutlicher gemacht werden als durch diese Aufzählung: An die Stelle Anton Weberns als Leitfigur der älteren Generation und der Reihentechnik als ihrem technischen Ideal sind bei Rihm ganz unterschiedliche Komponisten getreten, die in einzelnen Phasen ihres Schaffens jenes Ideal musikalischer Freiheit, welches humane und gesellschaftliche Dimensionen einschließt, verkörperten. Busoni - heißt es in dem Vortrag "Musikalische Freiheit" - entwerfe in seinem Entwurf einer neuen Äshetik der Tonkunst (1907; zweite, erweiterte Auflage 1916) "ein freies Musikdenken, eine Haltung, die keinerlei Rezeptur erlaubt, die jede Gestalt im Moment als ein wachstumsfähiges Ganzes und jedes Ganze ebenso nur für sich ohne Wiederholbarkeit zu erfinden befiehlt. Das Ergebnis ist - zumindest in Wunsch und Absicht - eine ständig sich erneuernde Musik, die das Hören am Entstehen teilhaben läßt, die sozusagen offenliegt an ihrem generativen Pol, dort wo sie wächst."2 Schon zwei Jahre zuvor hatte er von einem "alten Wunsch" gesprochen: "Musik da aufzuschreiben, zu fangen, wo sie ohne Hülle, allein und sie selbst ist. Also weniger Musikstücke zu komponieren, als vielmehr Zustände von Musik."3 Der Akt der Niederschrift, jener Vorgang, in welchem strikteste Privatheit und Öffentlichkeit einander berühren, ist daher weit mehr als die bloße Entäußerung und Fixierung eines Vorgedachten. In ihm werden nicht nur die physischen und psychischen Aspekte der Schreibsituation: das Geräusch der Feder, des Stiftes auf dem Papier, der fast magische Vorgang, ein leeres Blatt mit Zeichen zu füllen, die plötzliche Begegnung mit dem eben Niedergeschriebenen, in dem einem jenes schriftlich verfes ... Leseprobe