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Kant und das Schnabeltier

Erschienen am 13.03.2000
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783446198692
Sprache: Deutsch
Umfang: 584 S., 26 s/w Illustr., 4 s/w Tab., 30 Illustr.
Format (T/L/B): 4 x 21 x 13.5 cm
Einband: Leinen

Beschreibung

'Was hat Kant mit einem Schnabeltier zu tun? Nichts.' So beginnt Umberto Eco sein neues großes Buch. Zwanzig Jahre nach seinen großen Studien zur Semiotik, zieht Eco darin die Summe seiner wissenschaftlichen Forschungen. Entstanden ist dabei sein theoretisches Hauptwerk, das die Antwort auf eine der ältesten philosophischen Fragen liefert: Wie unterscheidet der Mensch die Dinge, die er sieht?

Autorenportrait

Umberto Eco wurde am 5. Januar 1932 in Alessandria (Piemont) geboren und starb am 19. Februar 2016 in Mailand. Er zählte zu den bedeutendsten Schriftstellern und Wissenschaftlern der Gegenwart. Sein Werk erscheint bei Hanser, zuletzt u.a. der Roman Nullnummer (2015), Pape Satàn (Chroniken einer flüssigen Gesellschaft oder Die Kunst, die Welt zu verstehen, 2017), Auf den Schultern von Riesen. Das Schöne, die Lüge und das Geheimnis (2019), Der ewige Faschismus (2020) und Der Name der Rose (Jubiläumsausgabe, 2022).

Leseprobe

Vorwort

Was hat Kant mit dem Schnabeltier zu tun? Nichts. Wie wir sehen werden, konnte er auch nichts mit ihm zu tun haben. Und das würde schon genügen, um den Titel und sein Zusammenwerfen scheinbar nicht zusammenpassender Begriffe zu rechtfertigen, das wie eine Huldigung an die uralte Enzyklopädie Borgesschen Angedenkens klingt.
Womit befaßt sich dieses Buch? Mit dem Schnabeltier, mit Katzen, Hunden, Mäusen, Pferden, aber auch mit Stühlen, Tellern, Bäumen, Bergen und anderen Dingen, die wir jeden Tag sehen, und mit den Gründen dafür, daß wir einen Elefanten von einem Schrank unterscheiden (und auch mit denen, weshalb wir unsere Gattin gewöhnlich nicht mit einem Hut verwechseln). Es handelt sich um ein formidables philosophisches Problem, mit dem sich das menschliche Denken seit Platon bis hin zu den modernen kognitiven Psychologen herumgeschlagen hat, und das (wie wir sehen werden) nicht einmal Kant in befriedigender Weise formulieren, geschweige denn lösen konnte. Und jetzt will ausgerechnet ich das versuchen.
Das ist der Grund, weshalb die Aufsätze dieses Buches (die in zwölf Monate niedergeschrieben wurden und Themen wieder aufnehmen, die ich - zum Teil in unveröffentlichten Texten - in den letzten Jahren behandelt habe) aus einem Kern quälender theoretischer Probleme entstanden, die zwar zusammenhängen und aufeinander bezogen sind, aber nicht als "Kapitel" eines Buches mit systematischem Anspruch gelesen werden sollen. Daß die verschiedenen Paragraphen zuweilen peinlich genau numeriert und unternumeriert sind, soll nur das schnelle Verweisen von einem Text auf den anderen erleichtern und nicht eine zugrundeliegende Architektur andeuten. Ich spreche auf diesen Seiten zwar über vieles, aber über noch mehr sage ich nichts, ganz einfach deshalb, weil ich darüber keine klaren Vorstellungen habe. Ein gutes Motto für mein Buch wäre darum ein Zitat von Boscoe Pertwee, einem (mir unbekannten) Autor des 18. Jahrhunderts, das ich bei Gregory (1981: 558) gefunden habe: "Früher war ich unentschieden, aber heute bin ich mir nicht mehr so sicher."
Geschrieben im Zeichen der Unsicherheit und vieler ungelöster Fragen, sind diese Aufsätze aus dem Gefühl entstanden, ich hätte, als ich 1975 Semiotik veröffentlichte (worin ich bereits eine Reihe von Untersuchungen aus der zweiten Hälfte der sechziger Jahre wieder aufnahm und weiterführte), einige Wechsel nur unterschrieben, aber nicht eingelöst. Bei den offenen Rechnungen ging es um das Problem der Bezugnahme, der Ikonizität, der Wahrheit, der Wahrnehmung und um das, was wir heute als die "untere Schwelle" der Semiotik bezeichnen. Im Lauf dieser zweiundzwanzig Jahre stellten mir viele Leute - mündlich oder schriftlich - sehr dringende Fragen, und noch mehr wollten wissen, ob und wann ich eine Neubearbeitung von Semiotik schreiben würde. Diese Aufsätze wurden auch geschrieben, um - vielleicht noch mehr mir selber als anderen - zu erklären, warum ich das nicht getan habe.
Das hat hauptsächlich zwei Gründe. Der erste besteht darin, daß - anders als in den sechziger Jahren, wo es noch denkbar erschien, die zerstreuten Teile so vieler semiotischer Forschungen zu einer summa zusammenzufügen - dieser Forschungsbereich sich inzwischen derart ausgeweitet hat (und mit den verschiedenen kognitiven Wissenschaften verschmolzen ist), daß jede neue Systematisierung sich als verfrüht herausstellen würde. Wir stehen vor einer expandierenden Galaxie, nicht mehr vor einem Planetensystem, für das die grundlegenden Gleichungen zur Verfügung ständen. Was mir als Zeichen von Erfolg und Gesundheit erscheint. Semiotische Fragestellungen sind in vielen Disziplinen zentral geworden, auch bei jenen, die nicht glaubten oder wußten, daß sie Semiotik betreiben, oder die sich sogar weigerten, dies zu tun. Das war schon zur Zeit von Semiotik der Fall (um nur ein Beispiel anzuführen: Nicht etwa weil sie Bücher über Semiotik gelesen hätten, fingen die Biologen an, v ... Leseprobe